Bis 2050 planen – das ist Pflicht…

… wenn die Energiewende gelingen soll
Bereits 2016 einigte sich die Große Koalition in Deutschland auf den „Klimaschutzplan 2050“: er orientiert sich an der „Zwei-Grad-Obergrenze“ des Klimaabkommens von Paris 2015 und leitet daraus „alle klimapolitischen Ziele und Maßnahmen ab, die unser Wirtschaftsleben in den nächsten Jahrzehnten energieeffizient und umweltschonend gestalten sollen.(1)
Dabei nennt er vor allem den Ausbau der Erneuerbaren auf 40 bis 45 Prozent Anteil an der Stromerzeugung bis zum Jahr 2025, zum anderen eine „deutliche Verbesserung der Energieeffizienz, vor allem beim Heizen von Wohnungen und Häusern. Und zum Dritten benötigen wir eine nachhaltige Verkehrswende.“(2)
Energiewende muss gelingen – alles andere ist zu teuer
Dabei stehen wir laut Claudia Kemfert „vor keiner geringeren Aufgabe, als die Grundstruktur unserer Volkswirtschaft zu ändern… unsere gesamte Industrialisierung fußt auf der Nutzung fossiler Energievorkommen, auf Kohle, Gas und Öl.“ Die Fragen, ob wir so schnell auf Erneuerbare umstellen und ob wir auf Fossile verzichten können, ob wir Energie sparen können, wenn wir gleichzeitig Wachstum wollen usw., seien durchaus berechtigt. Aber es gäbe keine realistische Alternative: „Die Energiewende wird gelingen müssen“.(3) Denn die fossilen Reserven seien endlich und ihr Abbau zerstöre die Atmosphäre. Es kämen sehr hohe Kosten auf uns zu, wenn wir nicht handelten: Je schneller es gelänge, die Erderwärmung zu begrenzen, desto mehr Kosten würden vermieden.
Schlingerkurs der Politik gefährdet erste Ansätze
Dabei kritisierte Kemfert die Politik, die mit ihrem Schlingerkurs die Unternehmen verunsichere: In USA habe Trump einen fossilen Roll-back eingeleitet, die japanische Regierung nach dem Reaktorunfall von Fukushima 2011 drei Jahre später die Kernenergie wieder angeworfen. Dagegen habe sich Deutschland „unwiderruflich für die Energiewende entschieden“. Es sei wichtig, alle Aufgaben bis 2050 abzuhaken, denn je eher die Unternehmen „wissen, dass sie schon bald nicht mehr auf fossile Energien und konventionelle Antriebstechniken zurückgreifen können, desto früher machen sie sich auf die Suche nach Alternativen.“(4) Seit Paris 2015 und dem EU-Klimaschutzpaket 2021 würden Investoren weltweit zurückhaltender bei fossilen Investments, bei deutschen Energiekonzernen seien Ansätze für klimafreundlichere Geschäftsmodelle zu entdecken, auch andere Branchen sähen sich nach Alternativen um, von Beton- zu Holzbau, von der Ölheizung zur Wärmepumpe, vom Verbrenner zum E-Auto.
Fossiles Roll-back in Deutschland und Europa
Aber genau diese Sicherheit ist schon während der Ampelregierung abhandengekommen: Vor allem die FDP, aber auch Union und FDP, haben unter dem Deckmantel der „Technologieoffenheit“ den Umbau zur E-Mobilität ebenso bekämpft wie den zur Wärmewende. Ungeschickte Gesetze ohne ausreichende soziale Flankierung erleichterten ihnen den Angriff auf die Energiewende – wie das Gebäudeenergiegesetz („Heizungsgesetz“) die Kampagne gegen den „Heizungshammer“. Noch 2021 hatte die Bundesregierung mit dem Klimaschutzgesetz (KSG) verbindliche Emissionsziele für die Sektoren Industrie, Verkehr und Wärme gesetzt und mit dem Brennstoffemissionshandelsgesetz (BEHG) ein nationales Emissionshandelssystem mit ansteigenden Preisen für die Tonne CO2 eingeführt. 2024 wurde das Klimaschutzgesetz auf Druck der FDP so novelliert, dass die Sektoren ihre Ziele nicht mehr verbindlich einhalten mussten: Da Verkehr und Wärme weit über den Zielen lagen, die Industrie sie aber erfüllt, werden nun all Sektoren zusammengerechnet und nur dann Maßnahmen ergriffen, wenn das Klimaziel insgesamt verfehlt wird.(5) Dies war 2024 nicht der Fall, hauptsächlich weil die Emissionen in Folge der schwachen Konjunktur zurückgingen. Insgesamt hielt Deutschland seine nationalen Klimaziele ein, lag aber hinter den europäischen Klimazielen zurück.
Es gibt kein Zurück in eine heile, günstige fossile Energiewelt
Dabei werden ab dem Jahr 2027 auch die Sektoren Verkehr und Wärme mit europäischen Preisen versehen – es wird dann hierzulande deutlich teurer werden, weiter mit Öl und Gas zu heizen und mit Benzin und Diesel Auto zu fahren.(6) Alle Ausflüchte der Freunde der „Technologieoffenheit“: sog. synthetische E-Fuels oder Wasserstoff sind entweder mehrmals teurer als hybride bzw. E-Antriebe oder noch nicht annähernd zur Marktreife entwickelt. Das will auch niemand mehr ernsthaft versuchen, weil sich die großen Autohersteller in der EU längst an die scharfe E-Quote im weltweit dominierenden chinesischen Automarkt angepasst haben. Vom Schiffsbau bis zur Luftfahrt, von der Bau- bis zur Stahlindustrie, bemühen sich alle Branchen um mehr Effizienz und weniger Emissionen.
Klimaschutz ist teurer – Nichtstun ist teurer
Wie die Kernkraftbetreiber 2022 einen Weiterbetrieb der teuren Atomkraftwerke ablehnten, lehnen heute die Autokonzerne ein Festhalten an alten Technologien wie dem Verbrenner aus rationalen Kostengründen ab. Aber der Schlingerkurs vor allem konservativer Politiker in Europa und bei uns verunsichert die Wirtschaft. Er behindert langfristige Planungen und verhindert auch nachhaltige und emissionssparende Investments. Wenn nun auch noch in USA eine Rückkehr zu fossile Investments und Geschäftsmodellen hinzukommt, dürfte sich das Tempo beim Umbau unserer Wirtschaft und Gesellschaft hin zur Klimaneutralität weiter verlangsamen. Das aber ist eine Katastrophe, denn die Kosten des Klimawandels steigen beständig: Die Europäische Umweltagentur hatte bereits 2017 diese Kosten in den EU-Staaten seit den 1980-er Jahren auf über 400 Milliarden Euro geschätzt.(7) Mittlerweile betrugen laut dem weltweit größten Rückversicherer Munich Re die Schäden durch Klimawandel allein im ersten Halbjahr 2024 rd. 120 Milliarden Dollar, Tendenz steigend.(8)
Ja, Klimaschutzpolitik ist nicht umsonst zu haben. Aber Nichtstun kommt uns bei weitem teurer an Geld und Leben. Und je später wir handeln, desto weniger können wir die Erderwärmung noch begrenzen. Dabei räumt auch Kemfert ein, dass Deutschland mit seinen gut 80 Millionen Einwohnern im Alleingang das Weltklima nicht retten kann – auch wenn wir „auf sehr viel kleinerer Fläche mehr CO2-Emissionen verursachen als die 1,1 Milliarden Einwohner Afrikas zusammengenommen. Umso wichtiger ist die Vorbildfunktion Deutschlands: Kaum ein anderes Land hat sich auf eine so langfristige Strategie festgelegt. Wenn es uns als einem der wenigen Klimapioniere auf kleinem Raum nicht gelingt, wem dann? Wenn wir die notwendigen Technologien nicht bauen können, wer dann?“(9) Das dürfte auch unter Wettbewerbsgründen eine der wichtigsten Fragen für die künftigen Jahre und Jahrzehnte hierzulande sein. Ein Zurück zu fossilen Zeiten ist aus jeder Hinsicht unreell und teuer.
- Claudia Kemfert, Das fossile Imperium schlägt zurück, Hamburg 2016, S. 45
- Der Anteil der Erneuerbaren lag schon 2024 über 50%, bei Wärme und Verkehr liegen wir zurück.
- Zitate aus: Kemfert, a.a.O., S. 47
- Zitate aus: Kemfert, a.a.O., S. 49
- Zum KSG siehe: https://www.bundesregierung.de/breg-de/aktuelles/klimaschutzgesetz-2197410
- Details zum EU-Emissionshandelssystem siehe: https://de.wikipedia.org/wiki/EU-Emissionshandel
- Kemfert, a.a.O., S. 48
- Laut einer ZDF-Meldung vom 31.07.2024: https://www.zdf.de/nachrichten/panorama/klima-naturkatastrophen-extremwetter-milliardenschaden-bilanz-100.html
- Kemfert, a.a.O., S. 52