Graue Wölfe

– bei uns gefördert und erlaubt !?
Groß war die Empörung, als tausende türkischer Fans Anfang Juli dem Fußballer Demiral folgten und offen den „Wolfsgruß“ zeigten: er ist Gruß und Bekenntnis der rechtsradikalen Grauen Wölfe!
Diese „Grauen -Wölfe“ stehen in der Türkei der ultranationalistischen MHP nahe, die ein türkisches Großreich propagieren und aggressiv Minderheiten wie Aleviten, Kurden und Armenier und syrische Flüchtlinge attackieren. Bundesinnenministerin Faeser erklärte, rechtsextreme Botschaften hätten weder im Stadion noch auf der Straße was zu suchen. Dem pflichteten viele Politiker:innen und Kommentatoren:innen bei.
Hierzulande half Franz-Josef Strauß bei der Gründung
Merkwürdig nur, dass die Grauen Wölfe zwar mit bundesweit geschätzten 18 000 Mitgliedern als größte rechtsextreme Organisation im Verfassungsschutzbericht auftauchen, aber bis heute weder sie noch ihr Gruß bei uns verboten sind. Wenn man wissen will, warum das so ist, muss man lange zurückgehen: Alparslan Türkesh, einst Verbindungsoffizier zur Naziregierung und Oberst der türkischen Armee, gründete 1968 Graue Wölfe und die ultranationale MHP. Anfang der 70er Jahre entsandte er Ex-Geheimdienstler, um unter den Gastarbeitern in Westdeutschland rechtsextreme Zellen aufzubauen. Und fand dabei laut einem Bericht der Süddeutschen Zeitung prominente Helfer: Franz Josef Strauß traf sich mit Türkesh und half ihm dabei, 1978 die „Föderation der Türkisch-Deutschen Idealistenvereine“ zu gründen. Idealisten war aber der (Tarn-)Name für alle Vereine der Grauen Wölfe und anderer Ultrarechter. Und die ADÜTÜF war nichts anderes als der Dachverband für über 100 Vereine, die bundesweit Türkeistämmige für rechtsextreme Werte mobilisierten und organisierten. Und nicht nur Strauß, sondern vielen deutschen Politikern gefiel es, dass hier Rechte agierten, die keine Forderungen nach Integration und Teilhabe erhoben, sondern den Worten von Türkesh folgten, ein guter Türke solle in die CDU eintreten und seinen türkischen Werten folgen.
Trotz Blutspur handeln Behörden nicht
So blieben die Grauen Wölfe unbehelligt, obwohl sie von Beginn an brutal gegen säkulare, linke Türken und Minderheiten agierten: Sie ermordeten z.B. 1980 einen türkeistämmigen Gewerkschafter in Berlin, verletzten 1984 bei einem Attentat Seyran Ates schwer, erschossen 1995 einen Kurden in Neumünster und 1997 einen Aleviten in Kiel, 1999 einen linken Aktivisten in Köln usw.
All das war den deutschen Behörden bekannt, wurde aber als Einzeltat ausgewiesen oder – wie das Attentat 2000 in der Kolbstraße – nicht Rechtsextremen, sondern innertürkischen Konflikten zugerechnet. Denn die offizielle Türkei war NATO-Partner, sicherte die Ostflanke und war eisern antikommunistisch. Als 1984 die PKK mit Waffengewalt agierte, wurde sie sofort als terroristische Organisation verboten. Die Grauen Wölfe, die zahllose Morde an vermeintlichen oder wirklichen PKK-Sympathisanten verübten, blieb außen vor. Als sich ab Mitte 2015 die Mutterpartei der Grauen Wölfe, die MHP, Erdogan und seiner AKP annäherte, war es endgültig vorbei mit dem Mut der deutschen Überwachungsbehörden: mehrfach versandeten Verbotsanträge aus dem Deutschen Bundestag, zuletzt einer von DIE LINKE 2021. Denn seit 2018 ist die MHP Teil von Erdogans Regierungskoalition – und mit ihm hat Deutschlands damalige Kanzlerin Merkel 2016 das berühmte Flüchtlingsabkommen geschlossen, das seitdem gegen mehrere Milliarden Euro Subsidien vor allem syrischen Flüchtlingen den Weiterzug auf die Balkanroute und nach Deutschland verwehrt.
Erdogan und Graue Wölfe werden geschont
Danach konnte Erdogan provozieren, so viel er wollte: von offizieller deutscher Seite hatten er und seine rechtsextremen Verbündeten nichts zu erwarten. Und so nahm Erdogan auch Anfang Juli die sich ihm bietende Gelegenheit wahr, warf den Terminplan um und kam zum Viertelfinalspiel seiner Mannschaft, um dieser – wie es in türkischen Medien hieß – angesichts der ausländerfeindlichen Aktivitäten in Deutschland – den Rücken zu stärken. Erdogan setzte auf maximale Eskalation – und zigtausende türkischer Ultras zeigten am Viertelfinalspieltag auf dem Berliner Ku‘damm und im Olympiastadion den Wolfsgruß. Offizielle Reaktion von deutscher Seite? So gut wie keine. Die Innenministerin reagierte schmallippig auf die Frage, wann der Wolfsgruß verboten wird. Und selbst die Union, die sonst gern danach ruft, jeden Straftäter ausweisen zu lassen, schwieg in der ersten Reihe recht laut, als es um Konsequenzen für Erdogans Provokation ging. Man braucht ihn und seine Freunde in der NATO und beim Weghalten der Flüchtlinge. Dass man jahrelang die Selbstorganisation Türkeistämmiger in Gewerkschaft, in säkularen und linken Vereinen und Parteien eher behindert hat, während man die Rechten gewähren ließ, hat einen angenehmen Nebeneffekt: die Sympathisanten der Grauen Wölfe ordneten sich oberflächlich ein in unsere Gesellschaft, offiziell hieß es auch von Erdogans AKP: „Werde Deutscher, bleibe Türke“. Der halb türkei-, halb kurdischstämmige Autor Burak Yilmaz brachte es in der süddeutschen Zeitung vom 10. Juli 2024 („Wolfsgruß in der EM. Ein deutsches Versagen“) auf den Punkt: „Rechte erzählen keine Aufstiegsgeschichten.“ Und die wollten wir in unserem Land, das so lange kein Einwanderungsland sein wollte, partout nicht hören, sehen oder lesen. Tja, dann muss man eben auch künftig mit dem Wolfsgruß und dem dahinterstehenden brutal-dumpfen Ultranationalismus, dem großtürkischen Rassismus, der Einschüchterung und Verfolgung von Minderheiten und anders Denkenden auch hier bei uns leben.
Quellen:
https://www.bpb.de/themen/rechtsextremismus/dossier-rechtsextremismus/260333/graue-woelfe-die-groesste-rechtsextreme-organisation-in-deutschland/
https://www.deutschlandfunk.de/graue-woelfe-in-deutschland-der-traum-vom-grosstuerkischen-100.html